Seminaraufgabe SoSe 2021: Einspurmodell Gruppe H
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Autoren: Pia Kostede; Gerrit Wurth
Betreuer: Prof. Dr.-Ing. M. Göbel
Einleitung
Die Herausforderungen bei der Durchführung von Projekten können sehr vielfältig sein. Zum einen sind die Aufgaben oft sehr komplex und vielschichtig. Zum anderen herrscht oftmals großer Koordinierungsbedarf, da viele Parteien eingebunden sind und die regelmäßigen Abstimmungen und Entwicklungen unter Zeitdruck erfolgen [2]. So kommt es bei einer unkoordinierten Herangehensweise zwangsläufig zu diversen Problemen. Eine Hilfestellung können hier Entwicklungsprozessmodelle liefern, da diese Richtlinien im Umgang mit der Projektkomplexität an die Hand geben.
Zielsetzung der Seminaraufgabe
Die Seminaraufgabe in dem Fach Systems Design Engineering gibt den Studierenden die Möglichkeit ihre Kompetenzen zur Komplexitätsbeherrschung zu erproben. Anhand der Entwicklung des linearen Einspurmodells mit Matlab Simulink [3] wird ein komplexes technisches System konzipiert, entwickelt, realisiert und analysiert. Bei der Umsetzung dieses umfangreichen Projektes wird das V-Modell angewandt.
Zu Beginn des Projektes werden in der Konzeptphase Ideen gesammelt, diese Werden durch das Anforderungsmanagement konkretisiert und analysiert. Das Ergebnis kann in Form einer Tabelle als Anforderungsliste oder Lastenheft dokumentiert werden. Im dritten Schritt wird eine Strukturierung vorgenommen, hierbei wird das komplexe Problem in kleinere überschaubare Teile zerlegt. Hierbei ergibt sich eine lösungsneutrale Funktionsstruktur oder ein funktionaler Systementwurf. Erst danach erfolgt die Lösungsfindung. Hierbei wird nach Optionen gesucht, wie die Teilfunktionen umgesetzt werden können. In dem fünften Schritt der Konzeptphase werden die Lösungsmöglichkeiten bewertet und eine Auswahl getroffen, welche Funktion wie umzusetzen ist. Die letzte Phase der Konzeptionierung ist die Ausgestaltung, hierbei werden technische Dokumente wie zum Beispiel Schaltpläne oder CAD-Modelle erstellt.
Aufgabenstellung
Bei der vorliegenden Seminaraufgabe ist in einem Projekt das lineare Einspurmodell umzusetzen. Dabei soll angenommen werden, dass die zu simulierende Fahrt bei einer konstanten Geschwindigkeit erfolgt und somit nur die reine Querdynamik in dem Modell simuliert wird. Das Modell ist grundsätzlich in die drei Module Manöverauswahl, Modell und Auswertung zu unterteilen und in sinnvolle Komponenten zu gliedern. Zudem sollen als Ausgänge in der Auswertung der Schräglaufwinkel, der Schwimmwinkel, die Querkräfte sowie die Querbeschleunigung in Diagrammen dargestellt werden. Dabei wird gefordert, dass das Projekt gemäß des V-Modells durchzuführen und das lineare Einspurmodell im Laufe der Ausarbeitung in Matlab Simulink umzusetzen ist. Die Aufgabe soll die Studierende an komplexe technische Systeme heranführen und die Kompetenzen bezügliche der Lösungserarbeitung erweitern. [4]
Das lineare Einspurmodell
Schon 1940 wurde von Riekert und Schunck das lineare Einspurmodell entwickelt und für die Analyse des querdynamischen Fahrverhaltens von Fahrzeugen eingesetzt[6]. Ziel des Modells ist, die Fahrdynamik von zweispurigen Kraftfahrzeugen zu vereinfachen. Hierbei wird angenommen, dass sich der Fahrzeugschwerpunkt direkt auf der Fahrbahn befindet. Dadurch ergibt sich eine gleichmäßige Kraftverteilung über die vier Reifen und die Räder einer Achse können zusammengefasst werden. Zudem werden nur die Querkräfte und keine Störkräfte wie zum Beispiel die Reibung oder der Luftwiederstand betrachtet.
Als Eingänge des Modells werden lediglich der Fahrerlenkwinkel und die Fahrzeuglängsgeschwindigkeit benötigt. Die Parameter Masse, Achsseitensteifigkeiten vorne und hinten, der Schwerpunktabstand zur Vorderachse, der Radstand und die Massenträgheit ergeben sich durch das Fahrzeug. Mit diesen werten können die Gierrate und die Querbeschleunigung berechnet werden.
Bedienung des Simulationsmodells
Zur Bedienung des Einspurmodells wird zuerst die Parameterdatei (Gruppe_H_Parameter.m) in Matlab geöffnet. In dieser Datei sind die wesentlichen Parameter des Fahrzeugs eingetragen. Zudem erfolgt hierüber die Manöverauswahl. Das Manöver kann durch Eingabe der Zahlen 1 für Lenkwinkelsprung, 2 für Lenkwinkelrampe und 3 für Sinuslenken eingestellt werden. Zudem können Geschwindigkeit und der Lenkwinkel vorne eingegeben werden. In dem nachfolgenden Quelltext sind die Standardwerte in der Manöverauswahl eingetragen. Durch Klick auf Run wird mit den eingestellten Werten die Simulation des linearen Einspurmodells in Simulink geöffnet. Das Modell wird im Abschnitt Programmierung / Modellierung tiefergehend beschrieben. Zum Starten der Simulation muss hier erneut auf Run geklickt werden. Hierbei öffnet sich ein neues Fenster mit der Darstellung der Auswertung. In sieben Diagrammen werden hier die verschiedenen Kräfte und Winkel in einem Zeitintervall von 0 bis 5 Sekunden dargestellt.
%----------------------------------------------------------- % Manöverauswahl % Bitte wählen Sie hier das Manöver durch Angabe der % Geschwindigkeit und des Lenkwinkels vorne % Wählen Sie durch Angabe der Nummer zwischen % 1: Lenkwinkelsprung % 2: Lenkwinkelrampe % 3: Sinuslenken %----------------------------------------------------------- % Geschwindigkeit v = 20; %[m/s] immer groesser Null!! % Lenkwinkel vorne deltav = 2; %Lenkwinkel vorne % Manöverauswahl Manoever = 1; % Manöver 1 / 2 / 3 %-----------------------------------------------------------
V-Modell
Das V-Modell ist ein Vorgehensmodell und kann grundsätzlich für fast alle Entwicklungsprozesse angewendet werden. Besonders beliebt ist es allerdings im Bereich der Softwareentwicklung. Das Modell wurde im Jahr 1990 auf Basis des Wasserfall-Modells entwickelt. Genau genommen stellt es eine Weiterentwicklung des Wasserfall-Modells dar. Mit Hilfe des V-Modells wird der Ablauf eines Projektes in einzelne Phasen unterteilt, welche hinsichtlich des Detailierungsgrads immer genauer und spezifischer werden. So lassen sich auch große, komplexe Problemstellungen in mehrere Teilprobleme zerlegen [8]. Ähnlich wie bei dem Basis-Wasserfall-Modell wird im Weiteren in jeder Testphase gegen die vorher definierten Spezifikationen getestet. So kann sichergestellt werden, dass im Laufe des Entwicklungsprozesses nicht an den Anforderungen „vorbeientwickelt“ wird. Die einzelnen Phasen des V-Modells sind in Abbildung 3 dargestellt.
- Anforderungsdefinition/ Stakeholder-Requirements meist in Form einer Anforderungsliste
- Systemanforderungen meist in Form eines funktionalen Systementwurfs
- Systemarchitektur meist in Form eines technischen Systementwurfs
- Komponentenspezifikation
- Softwareentwurf
- Komponententest
- Integrationstest
- Systemtest
- Validierung/ Abnahmetest
Je nach konkretem Anwendungsfall kann es auch zu Abänderungen der Phasen des V-Modells kommen.
Die Vorteile des V-Modells liegen ganz klar in der hohen Transparenz und den sauber definierten und dadurch nachvollziehbaren Abläufen, sodass Missverständnisse und unnötige Arbeiten vermieden werden. Allerdings könnte für komplexe Aufgaben das Modell an einigen Stellen zu starr sein, sodass wenig flexibel auf Änderungen während der Entwicklung reagiert werden kann [9].
Anforderungsdefinition
Die Anforderungsdefinition wurde zu Beginn des Projektes in Form der Anforderungsliste erstellt. Die Liste teilt sich in acht Kapitel auf. Das erste Kapitel definiert die Grundlegenden Anforderungen. Im nächsten Kapitel werden die Rahmenbedingungen festgelegt. Im Kapitel 3 werden die Anforderungen an die Steuerung der Fahrmanöver beschrieben. im vierten Kapitel werden die Ausgänge definiert. Danach folgt die Definition der Darstellung und in Kapitel 6 die Aufteilung der Module in sinnvolle Komponenten. In dem siebten Kapitel werden die Anforderungen an die Software und die Werkzeuge festgelegt. Das letzte Kapitel definiert die Anforderungen an die Dokumentation des Projektes. Einige dieser Anforderungen wurden im Laufe des Projektes angepasst oder ergänzt. Unter folgendem Link ist die Anforderungsliste zu finden.
Funktionaler Systementwurf
Grundsätzlich umfassen die beiden Systementwürfe (funktional und technisch) die Spezifikationen, wie die Module miteinander in Verbindung stehen sollen. Im Fall der vorliegenden Aufgabe wurde festgelegt, dass es insgesamt drei Module gibt.
Manöversteuerung
Hier sollen das gewünschte Fahrmanöver und die Eingangsgrößen gewählt werden.
Modell
In diesem Modul finden die eigentlichen Berechnungen statt, um die Kenngrößen der zuvor ausgewählten Fahrt zu berechnen.
Auswertung
Zum Schluss soll der Anwender eine Auswertung zu seiner gewünschten Berechnung bekommen. Diese soll in entsprechenden Diagrammen erfolgen. Die geforderten Ausgabewerte sind ebenfalls in dem funktionalen Systemplan definiert.
Technischer Systementwurf
Der technische Systementwurf geht einen Schritt tiefer ins Detail als der Funktionale Systementwurf. Es werden nun den einzelnen Modulen technische Systeme untergeordnet. Diese technischen Systeme erfüllen selbst noch keine Funktion, sind aber Platzhalter für die später entwickelten Komponenten. Bekannt sind zu diesem Zeitpunkt nur die Ein und Ausgänge der Komponenten, die darüber verbunden werden können. Der daraus entstehende technische Systementwurf kann während der Entwicklung der Komponenten angepasst werden.
Komponentenentwurf
Der Komponentenentwurf, oft auch Komponentenspezifikation genannt, bricht die Module in ihre einzelnen Komponenten herunter und beschreibt detailliert die Eingänge der Komponenten und wie konkret die Ausgangswerte berechnet werden. In dem vorliegenden Beispiel werden die Module in folgende Komponenten zerlegt:
- Manöversteuerung
- Manöverauswahl
- Parameter
- Berechnung der Fahrt
- Vorderrad
- Hinterrad
- Karosserie
- Schwimmwinkel
- Gierdynamik
- Auswertung
- Darstellung
Programmierung / Modellierung
In der Phase der Programmierung und Modellierung werden die Komponenten zusammengefasst. Dadurch entsteht das lineare Einspurmodell, welches danach nur noch die Test durchlaufen muss. In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Module beschrieben.
Modul Manöversteuerung
In der Manöversteuerung werden die Werte aus der Parameterdatei eingelesen und als Signale für das Lineare Einspurmodell zur Verfügung gestellt. Die Geschwindigkeit wird unverändert weiter gegeben. Mit dem angegebenen Lenkwinkel und der ausgewählten Nummer für das Manöver wird entweder ein Lenkwinkelsprung, eine Lenkwinkelrampe oder ein Sinuslenken generiert und als Signal den weiteren Funktionen zur Verfügung gestellt.
Modul Berechnung der Fahrt
Das Modul Berechnung der Fahrt besteht aus den vorher entwickelten Komponenten und verbindet diese. Im Vergleich zum technischen Systementwurf fällt auf, dass zum Beispiel die Komponenten für Vorder- und Hinterrad zusammengefasst wurden. Zudem wurden teilweise die Aus- und Eingänge angepasst oder einzelne Variablen umbenannt.
Komponente Vorderrad und Hinterrad
In der Komponente Vorderrad und Hinterrad wurde die Berechnung der Querkräfte auf den Vorder- und Hinterrädern programmiert. Zwischenergebnisse sind die Winkel alphav und alphah. Zu Grunde liegt die vorher beschriebene Formel.
Komponente Schwimmwinkel
Die Schwimmwinkel betav und betah werden in dieser Komponente berechnet.
Komponente Karosserie
In der Komponente Karosserie werden die Querkräfte vorne und hinten (KFyv, KFyh) sowie die Schwerpunktkräfte KFcy und KFcx, die Querbeschleunigung Kacy und die Längsbeschleunigung Kacx berechnet.
Komponente Gierdynamik
Die Giergeschwindigkeit Kpsi und der Schwimmwinkel im Fahrzeugschwerpunkt beta werden in der Komponente Gierdynamik berechnet.
Modul Auswertung
Im Modul Auswertung werden die verschiedenen Signale aus den Komponenten in zusammenhängende Gruppen zusammengefasst und für die Ausgabe an ein Scope weitergegeben.
Je nach ausgewähltem Manöver ergeben sich drei verschiedene Plots. Einer für den Lenkwinkelsprung, eins für die Lenkwinkelrampe und das Sinuslenken.
Test
Es ist von zentraler Wichtigkeit, dass die Entwicklungserfolge immer wieder geprüft werden. Im ersten Schritt werden die funktonalen Einzelteile, d.h. die Komponenten, auf die korrekte Funktionalität geprüft. Dies sollte möglichst in einem frühen Stadium erfolgen, da eine eventuell notwendige Korrektur Auswirkungen auf das gesamte System hat. Für den Komponententest werden alle Komponenten einzeln isoliert betrachtet und auf Korrektheit geprüft. Da lediglich einzelne Komponenten und nicht das Gesamtsystem getestet werden, müssen Komponententests grundsätzlich in Kombination mit weiteren Tests erfolgen[10]. Daher folgt gemäß des V-Modells nach dem durchgeführten Komponententest und eventuellen Korrekturen der Integrationstest. Dieser hat das Ziel zu prüfen, ob die einzelnen Komponenten in ihren jeweiligen Modulen optimal ineinandergreifen. Als letzte Stufe erfolgt anschließend der Systemtest. Hier wird das Modell/die Software gegen die gesamten Anforderungen getestet. Zu beachten ist, dass hier mit Testdaten gearbeitet werden muss, um das gelieferte Ergebnis hinsichtlich der Plausibilität und der Richtigkeit überprüfen zu können.
Ergebnis
Das Ergebnis wird in Form von Diagrammen geplottet. Auf der linken Seite das erste Diagramm beschreibt die Eingangssignale Fahrzeuggeschwindigkeit und Lenkwinkel vorne. Das zweite bildet die Verläufe der Querkräfte vorne und hinten ab. Im dritten Diagramm werden die Schwerpunktkräfte KFcy und KFcx dargestellt. Im vierten Plot sind die Querbeschleunigung Kacy und die Längsbeschleunigung Kacx zu sehen. Rechts oben werden die Winkel beta, betav und betah skizziert. Darunter die Winkel alphav und alphah. Im letzten diagram werden die verläufe von Kpsi, Kpsip und Kpsipp abgebildet. Entsprechend der Auswahl ergebit sich ein Plot entweder für den Lenkwinkelsprung, die Lenkwinkelrampe oder das Sinuslenken. Exemplarisch wird in Abbildung 13 der Lenkwinkelsprung dargestellt.
Fazit
Abschließend lässt sich feststellen, dass das Projekt entsprechend der Anforderungen aus der Aufgabenstellung umgesetzt werden konnte. Zu Beginn der Bearbeitung wirkte die Aufgabenstellung sehr umfangreich und komplex. Aber durch die stufenweise Anwendung des V-Modells konnte das Projekt erfolgreich in einzelne Teilschritte heruntergebrochen werden, sodass jeder einzelne Schritt einen übersichtlichen und machbaren Umfang angenommen hat. Durch die klare Anforderungsspezifikation konnten Teilerfolge immer wieder überprüft werden. Auch der funktionale und der technische Systemplan hat geholfen das Projekt zu strukturieren und umzusetzen. Die Unterteilung des linearen Einspurmodells in einzelne Module und Komponenten hat auch in den einzelnen Testphasen geholfen, das Modell in seinen Einzelheiten zu verstehen. So wurde es möglich, Fehler in dem Modell schnell zu finden und deren Ursache zu analysieren. Somit ist es gelungen die Aufgabenstellung umzusetzen und alle relevanten Dokumente zu erstellen und schließlich das lineare Einspurmodell in Matlab Simulink darzustellen. Die Aufgabe hat gezeigt, dass das Vorgehen gemäß des V-Modells für komplexe Sachverhalte sinnvoll und effizient ist und somit in der Praxis ein wichtiges Instrument bei der Durchführung von jeglichen Projekten darstellt.
Literaturverzeichnis
- ↑ Göbel, M.: Göbel_Skript_Fahrwerkmanagent_FHOstfalia.pdf; Deckblatt
- ↑ https://www.stackfield.com/de/blog/projektmanagement-probleme-beheben-108
- ↑ https://de.mathworks.com/help/index.html
- ↑ Göbel, M.: Systems Design Engineering Seminaraufgabe.pdf
- ↑ Göbel, M.: Göbel_Skript_Fahrwerkmanagent_FHOstfalia.pdf; Seite 15
- ↑ Riekert, P. ; Schunck, T. E.: Zur Fahrmechanik des gummibereiften Fahrzeugs. In: Ingenieur Archiv Bd. 11. Berlin, Heidelberg : Springer, 1940, S. 210–224
- ↑ Göbel, M.: Systems Design Engineering Vorlesung
- ↑ https://www.ionos.de/digitalguide/websites/web-entwicklung/v-modell/
- ↑ https://www.johner-institut.de/blog/iec-62304-medizinische-software/v-modell/
- ↑ https://www.verifysoft.com/de_unit_test.html
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